Archive for August 2007

Wilder Westen der Mongolei

August 30, 2007

Das Abenteuer startete, wie schon in Moskau, mit dem Zug. Im offenen Schlafwagon hielten uns diesmal nicht betrunkene Russen, sondern tierisch laut schnarchende Mongolen wach. Ueber Nacht erreichten wir Erdenet.Es sollten zwei verdammt harte Tage folgen. Keine Transportmoeglichkeit zwischen Erdenet und Bulgan erwartend, hatten wir uns fest vorgenommen, uns und unsere 22kg Gepaeck zu Fuss ueber die 65km zu schleppen. Plan ist Plan und so liessen wir uns auch von zahlreichen Mitfahrgelegenheiten auf einer frisch asphaltierten Landstrasse nicht von unserem kleinen Abenteuer abbringen. Unterwegs sassen wir auf preisgekroenten Rennpferden, wurden auf Airak in Jurten eingeladen, teilten unsere Bonbons mit Nachwuchshirten und Jens wurde lobend als Faschist bezeichnet. Nach einer Nacht im Zelt kamen wir am zweiten Tag vollkommen ausgelaugt, mit Blasen an den Fuessen, sonnenverbrannten Gesichtern und verfilzten Haaren in Bulgan an. Vor Schmerz und Freude schreiend liessen wir uns am Ortseingangsschild zusammensacken. Unser theatralisches Gehabe wahrnehmend lud uns ein Mongole prompt in seine Huette ein.Keine Einladung ausschlagend tranken wir erst Tee, wollten gehen… assen dann Leber mit Speck, wollten gehen… tranken darauf Wodka, wollten gehen und konnten nach der Platte mit Ziegeninnereien dem Vorschlag ueber Nacht zu bleiben nichts entgegensetzen. Im familiaeren Aufenthaltsraum, dem einzigen Zimmer der Huette, wurden Decken fuer die Nachtruhe ausgebreitet. Wir lagen schon totmuede in unseren Schlafsaecken, als der Fernseher angeschaltet wurde, das Telefon dreimal klingelte und daraufhin 2 Freunde der Familie, mit Woerterbuechern bewaffnet, das Szenario betraten. In grosser Runde praesentierte uns der Vater, selbst in Unterhose, voller Stolz den Puller seines ersten Sohnes Dschingis. Der Einjaehrige genoss Narrenfreiheit und wurde vom Vater mehrmals dazu aufgefordert uns zu verpruegeln. Dagegen wurde die aeltere Tochter mit einem Handwink dazu aufgefordert, zuvor servierte Getraenke wieder in die Kueche zu bringen. Nach vielen Lachen und Missverstaendnissen schliefen wir Stunden spaeter ein. Da uns Bonbons als Dank fuer die Gastfreundlichkeit nicht ausreichend erschienen, hinterliessen wir ein paar Tugrik und brachen am naechsten Morgen auf, uns wie geplant eine Mitfahrgelegenheit in das 350km entfernte Murun zu beschaffen.An der Tankstelle angekommen versprach man uns einen Transporter, der eine Stunde eintreffen sollte. 4 Stunden spaeter, dafuer ohne die ueblichen zwei Personen pro Sitz, sondern komplett leer, kam unser russischer Kleinbus. Mit 50 Sachen bretterten wir ueber Rumpelpisten in den Sonnenuntergang. Gerade eingeschlafen wird Sven von Jensens panikartigen: “Steig mal ueber mich rueber, schnell schnell !!! ”, geweckt. Nach einem Ausweichmanoever war der Transporter einem Abhang runtergerutscht und drohte jeden Moment umzukippen. Nachdem wir aus der Seitentuer geklettert waren und 300kg Sandsackbalast abgeworfen hatten, sollten wir den Wagen mit zwei Seilen wieder auf die Strasse ziehen. Letztendlich gelang dies erst ueber ein geschicktes Fahrmanoever. Nach diesem Schock ging der bis dahin absolut coole Fahrer erst einmal beten, bevor wir unsere Fahrt nach Murun zu Ende brachten. Um 4 Uhr morgens blieb uns keine andere Wahl, als erneut im Zelt zu uebernachten. Misstrauisch beaeugt von mongolischen Hunden schliefen wir endlich ein.

erstes Zeltenstolzer Reiterzwischen nordkoreanischen TrucksSven zieht den Karren ausm Dreck oder so

Ulan Bator

August 30, 2007

Nach 5-taegiger Trockenbrot- und Tuetensuppenernaehrung im Zug beschraenkte sich unsere anfaengliche Entdeckungslust in Ulan Bator schnell auf die diversen preiswerten monglischen Restaurants. Waehrend man eine Riesenportion Lammfleisch mit Reis verschlingt, kommen Kinder, oft mit vernarbten Gesichtern, an den Tisch und versuchen uns Kaugummis und Bonbons zu verkaufen.

Auf der Strasse fahren, aehnlich wie in Moskau, dicke Strassenkreuzer. Daneben liegen immer wieder Mongolen auf der Strasse. Man fragt sich ob sie „nur“ betrunken sind…

Dieses Nebeneinander von Arm und Reich versuchte uns eines Abends ein Mongole auf dem Suchbataar-Platz zu erklaeren. Er schimpfte auf seine korrupte Regierung, die die Schaetzte des Landes an China und Japan verscherbeln und sich die Gewinne in die eigene Tasche stecken wuerde. Sein Land braeuchte eine starke ordnende Hand. Dabei denkt er an die glorrreichen Zeiten unter Dschingis Khan. Im gleichen Atemzug nennt er Hitler, den er sich genauso gut als Retter seines Volkes vorstellen koennte. Vergeblich versuchen wir mehr Realtitaet in sein durchweg positives Bild Hitlers zu bringen.

Nach 4 Tagen Ulan Bator, Lautstaerke und Hektik freuen wir uns auf die Bilderbuchmongolei, auf Ruhe und Weite. Um sich auf die widrige Witterung vorzubereiten kauft sich Sven im State Department Store fuer 25 Euro eine supi-dupi North-Face Jacke mit Goretex-Membran. Sich wie ein kleiner Schuljunge freuend realisiert er beim Wassertest in der Hostelkueche, dass es sich wohl eher um eine North-Fake Jacke handelt.

Am letzten Abend bereitet sich der gefrustete North-Fake Kaeufer mit einem kleinen “1,5 Liter Bier auf Ex Kontest” auf die folgende Nacht vor. Vernichtend schlaegt er einen Englaender und einen Schotten, die gerade eine Ralley von London nach Ulan Bator beendet haben. Zu siebt macht sich die israelisch, polnisch, deutsche Partykombo in einem Taxi, Svunte und Junte wie gewohnt heterophob vorne gemeinsam aufm Beifahrersitz, auf den Weg ins Metropolis. Zwischen betrunkenen, sich pruegelnden Mongolen schwanken wir voller Vorfreude in Richtung Eingang, um zu erfahren, dass der Club vor wenigen Minuten geschlossen wurde aber ebenso schnell wieder aufmachen soll. Dem war nicht so. Im Regen stehend freuen wir uns nun endgueltig auf die Steppe.

In Alkohol eingelegte Sardinen

August 22, 2007

Nun sind wir also 5 Tage lang durch Russland unterwegs gewesen, eingeschlossen in einer kleinen Sardinebuechse. Vom Land haben wir zwar viel gesehen aber nichts gerochen, nichts gefuehlt , nichts gehoert. Beim Blick aus dem Fenster kommen einem Gedanken, wie:

„Baum, Baum, Wiese, Baum, Wiese, Wiese, Wald….

…..ey, guck mal die zwei kleinen Holzhuetten…Ohh und ne Villa daneben, mit ner Mauer und Stacheldraht drumrum!!!!

Baum, Wiese, Wald, Wald, Fluss, Wiese, Wiese, Baum“

Ab dem zweiten Tag kommt zum bestaendigen Rauschen das Zuges ein periodisches Klopfen und Ruetteln an unserer Tuer, die wir dann immer geschlossen halten mussten, um nicht unfreiwillige Teilnehmer eines weiteren oder eher dauerhaften russischen Trinkgelages zu werden.

Der Ruettler und Klopfer hiess Sergej. Dessen russischer Charme uns bei einem kurzen Besuch im Gourmetrestaurantwagen zu einem laengeren, intensiven Rendesvouz mit Wodka verleitete.

Mit steigendem Alkoholpegel wandelte sich seine zunaechst erheiternde, froehliche und offenherzige Art in ein, besonders bei den Frauen, immer zudringlicheres Verhalten. Und sein Alkoholpegel sollte fuer die naechsten Tage auch nicht mehr sinken…

Nicht nur bei Sergej, ob jung ob alt, Hundelebensretterstaffel, Offizier oder Bauarbeiter, bei allen waren wir stets auf ein Glaeschen eingeladen. Manchmal fuehlten wir uns fast ein bisschen schuldig, da wir nie was beitragen konnten. Hatten ja auch nur Tuettensuppen und warme Salami. In den Runden wurde bruchstueckhaft auf Englisch kommuniziert, wenig verstanden und umso lauter gelacht. Nur einmal waren wir still. Sasha: „My grandfather, aehh, yours, in war. Bum, Bum, Bum“.

Geschichte war bis dahin im Abteil nie praesent. Sekunden des Unwohlseins. Sasha sucht nach Worten, wir warten unsicher, bis er das Glas hebt: “ Russia and Germania, aehh, you and me,…., friends“. Richtig Sasha, PROST!

In Irkutsk verliessen alle Russen den Zug. Vorher stehts in Jogginghose, Adiletten und oberkoerperfrei, trugen sie nun ueberraschend feine schwarze Schuhe, gepflegte Jeans…. Einen Tag spaeter verliessen auch wir den Zug. Wanderstiefel, ausgefranzte Hosen und ungeduscht aber voller Entdeckungslust. Ulan Bator…

outdoorduscheSergej und die Frauen und der Vodkaerstmals mongolische Weiteachtung sonnenbrand

Stadt des Umbruchs

August 15, 2007

Nach 3stuendigem Flug kamen wir gestern in der ehemaligen Hauptstadt der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken an.

Aus der Luft sahen wir ein weisslich-steril wirkendes Haeusermeer, welches sich am Boden in ein laute, unerfassbare Metropole verwandelte. 32Grad und schweissgebadet.

Unser Hostel mit freundlich-komunenhafter Atmosphaere stellt sich mehr und mehr als Insel im sonst rauen Meer Moskau heraus. Ohne Russischkenntnisse scheint es hier jedoch schwer moeglich auch nur eine Wegbeschreibung zu erhaschen oder ein Broetchen zu kaufen. Jedoch trifft man auch auf Russen, welche ihr Englisch ueberschwenglich ausleben.

Im letzten Jahrzehnt scheint ueber Moskau eine Welle westlichen Lifestyles geschwappt zu sein. Wohin das Auge sieht: Mercedes, Lexus, Hummer, welche die kleinen, klapprigen Lada von der Strasse zu schubsen scheinen. Durchweg schlanke, braungebrannte Frauen, deren Kleidung der Fantasie wenig Freiraum laesst, paaren sich mit iro-vokuhila-frisierten Maennern. Begeisterte Menschenmassen stuermen die McDonalds-Filialen im ehemaligen Herzen der Sowjetunion.

Diese Selbstdarstellung scheint hier in extremer Form kopiert. Jedoch sollte man sich dabei fragen, ob nicht auch unser Style viel zu oft Kopie aus Vogue und HipHopVideos ist.

Die Buergersteige Moskaus sind krumm und schief, jedoch werden vielfach die angrenzenden Haeuser und Kirchen liebebvoll restauriert. Vereinzelt findet man noch Hammer und Sichel in einer Stadt, die sich auf dem Weg in eine neue Epoche befindet.

Vom Ort des Umbruchs gruessen,

Jens und Sven

klein DisneylandTradition vs ModerneMcDo am roten PlatzAbendbrot

5 Tage noch…

August 9, 2007

alle Klausuren geschrieben, Unistress vorbei, Hektik der Reisevorbereitung schließt sich an

Dienstag, 14 August 2007 soll’s losgehen. Erst mit dem Flieger nach Moskau und am 16. weiter mit der Transibirischen Eisenbahn hin zum eigentlich Ziel: Ulan Bator, Hauptstadt der Mongolei.

Von dort aus geht es dann weiter ins Land, hin zu seinen Menschen…